Verzeichnis

 

Wolf Jakob Albert

Beruf(e): Viehhändler
Geburtsdatum: 25.02.1879
Geburtsort: Ingenheim
Sterbedatum (Todestag): 13.08.1942
Sterbeort: Auschwitz / Polen
Wohnort(e): Ingenheim, Rülzheim, Karlsruhe

Jakob Albert Wolf wurde am 25. Februar 1879 in Ingenheim in der Pfalz als Sohn des Handelsmannes Ferdinand Wolf und seiner Frau Amalia Wolf (geb. Reis) geboren. Er dürfte die Volksschule absolviert haben, wie seinerzeit üblich; über eine weiterführende Schule ist nichts bekannt. Auch er wurde wie der Vater schon Handelsmann und Viehhändler. Handelsmann war unter Juden in ländlichen Gemeinden noch im 19. Jahrhundert die verbreitetste Erwerbstätigkeit, schloss teilweise auch den An- und Verkauf von Ernteerzeugnissen von Bauern ein, so dass auch ein Landproduktenhändler als Handelsmann firmierte.
 
Am 14. März 1911 heiratete Jakob Albert Wolf die aus Rülzheim stammende Karoline Cahn. Rülzheim wie Ingenheim eine pfälzische Landgemeinde, war unweit von Wörth gelegen. Wie die beiden sich kennen gelernt haben, ist unbekannt. Karoline Wolf (geb. Cahn) wurde am 02. Januar 1888 in Rülzheim als Tochter von Bartholomäus - kurz Borich -, ebenfalls einem Handelsmann, und seiner Frau Friederike Cahn (geb. Vollmer) geboren.

Karoline hatte noch neun Geschwister. Josef (geb. 1883), die Zwillinge Leo und Heinrich (geb. 1884) - Heinrich fiel bereits 1914 im Ersten Weltkrieg -, Dora (geb. 1887), Otto (geb. 1892), Wilhelm (geb. 1893), Lucie (geb. 1896), Arthur (geb. 1898) - er ertrank als Junge bei einem Badeunfall im Rhein -  und Erna (geb. 1900).
 
Das Ehepaar lebte nach der Heirat zunächst in Jakob Albert Wolfs Herkunftsort Ingenheim, wahrscheinlich bei Jakobs Eltern. Am 1. Januar 1912 kam Paul, ihr erstes Kind und einziger Sohn dort zur Welt.
 
Jakob Albert Wolf musste als Soldat in den Ersten Weltkrieg in Flandern, war im 17. Königlich Bayerischen Infanterie-Regiment aus Germersheim und geriet 1915 in Kriegsgefangenschaft, aus der er vier Jahre später, 1919 entlassen wurde. Während dieser schweren Jahre blieb Karoline wahrscheinlich bei den Schwiegereltern in Ingenheim wohnen.
 
Am 18. Oktober 1920 wurde das zweite Kind, die Tochter Margot, geboren. Im Jahr 1928 zog die Familie nach Rülzheim in Karolines Geburtsort und zu ihren Eltern, später in die Neue Landstraße 14, in das Gebäude, in dem sich heute die Schreinerei Wüst befindet.

Jakob Albert Wolf arbeitete weiter als Handelsmann und Viehhändler, im Dorf nannte man ihn "Albert Händler". Vermutlich war es eine schwierige Existenz. Karoline eröffnete selbstständig - vermutlich in einem Raum in ihrer Wohnung, denn ein eigentliches Ladengeschäft war es nicht - ein eigenes Spezereigeschäft. Was sie genau verkaufte, ob es tatsächlich nur Gewürze waren, ist nicht überliefert, vermutlich das eine oder andere so genannte Kolonialwarenprodukt, eventuell auch Landesprodukte, vielleicht auch die eine oder andere Süßigkeit für die Kinder?
 
Rülzheim hatte zu dieser Zeit etwa 3.600 Einwohner, darunter ungefähr 200 Juden. Noch einige Jahrzehnte zuvor, so z.B. 1872 zählte Rülzheim über 600 Juden unter den damals ungefähr 2.400 Einwohnern und hatte somit vergleichsweise einen der höchsten Prozentsätze im Anteil jüdischer Bevölkerung in Deutschland. In Rülzheim waren viele Juden traditionell als Unternehmer und Händler tätig. Einige von ihnen waren nicht nur Besitzer der meisten Zigarettenfabriken, auch der Tabakhandel war ihre Domäne. In diese Sparte orientierte sich auch Sohn Paul Wolf, der zunächst seine Lehre abschloss, dann rasch zum Leiter der Zigarrenfabrik Cahn & Co in Lingenfeld aufstieg. Dort war er tätig bis zu seinem Weggang aus Deutschland.
 
"Bis 1933 hatten die jüdischen Geschäftsleute mehr als die Hälfte zum gesamten Steueraufkommen der Gemeinde eingebracht und damit einen erheblichen Teil dazu beigetragen, den relativen Wohlstand der Gemeinde Rülzheim zu festigen", wurde in der Chronik von Rülzheim, zum Gedenken und zur Erinnerung, anlässlich des Besuches der früheren jüdischen Bürger 1988 in Rülzheim festgehalten.
 
Durch die Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 änderte sich das Leben der Juden im Ort grundlegend. Seit dieser Zeit machte Jakob Albert Wolf in seinem Geschäft keine richtigen Umsätze mehr, denn die Parole "Kauft nicht beim Juden!" zeigte ihre Wirkung.
Es dürften die ökonomischen Schwierigkeiten mitsamt der immer stärkeren sozialen Bedrängung, die mit den "Nürnberger Rassegesetzen" 1935 ihren ersten doch beileibe noch lange nicht endgültigen Höhepunkt erreichten, gewesen sein, die den Sohn Paul Wolf zum Verlassen Deutschlands trieben. Am 10. Oktober 1935 wandte er sich aus der Pfalz nach Finnland, zunächst in das kleine Städtchen Helsingfors.

Vater Jakob Wolf wurde der Gewerbeschein 1938 entzogen und mit dem Zwang der Arisierung musste auch Karoline Wolf ihr Geschäft schließen. Offiziell wurde es zum 29. Januar 1939 aufgelöst, doch gemäß dem "Arisierungs"-Zwang war es bereits ab 31. Dezember 1938 geschlossen. Dies bedeutete, dass die zurückgebliebene Familie mit der Tochter vor dem existentiellen Nichts stand.
So zogen sie am 9. März 1939 nach Karlsruhe in die Adlerstraße 35, wo sie in einem so genannten Judenhaus als Untermieter bei der Familie Jakob Altmann wohnten. Ohne eigene Mittel und Unterstützung war Jakob Wolf zu Notstandsarbeiten beim städtischen Tiefbauamt gezwungen, wo er in Daxlanden Erdarbeiten verrichten musste. Dazu gab es spezielle "Juden-Kolonnen", damit die nichtjüdischen Notstandsarbeiter getrennt von diesen blieben.
 
Die Tochter Margot, mittlerweile fast 19 Jahre alt, hatte den Beruf der Modistin erlernt und wanderte am 15. März 1939, also knapp zwei Monate nach dem Umzug der Familie nach Karlsruhe, nach England aus, von wo sie im Jahre 1940 nach Nordamerika emigrierte. Dorthin sollten die Eltern nachkommen, Karoline Wolf stellte mit Hilfe ihrer Tochter für ihren Mann und sich einen Antrag, um in die USA folgen zu können. Jedoch erhielten sie die Registrierungsnummer 17.847, was die Pläne wegen zu langer Wartezeit aussichtslos machte.

Jakob und Karoline Wolf schafften es so nicht mehr, in die USA zu gelangen. Sie wurden zusammen mit all den anderen Juden am 22. Oktober 1940 in das Lager Gurs nach Frankreich deportiert. Dort mussten sie eine lange Leidenszeit durchmachen und wurden schließlich auf die Deportationsliste in die Vernichtung gesetzt. Sie kamen in das Durchgangslager Drancy bei Paris, von wo sie am 12. August 1942 in das Vernichtungs-KZ Auschwitz deportiert wurden. Von dort kehrten sie niemals zurück.
 
Die beiden erwachsenen Kinder Paul und Margot Wolf überlebten die Verfolgung und den Krieg in ihren Fluchtländern. Paul Wolf lebte schließlich in Schweden, zeitweise in Stockholm, war Vertreter, gründete eine Familie und hat Nachfahren. Er starb 2002 in Schweden. Margot Wolf heiratete in den USA und lebt dort heute noch.


(Anna Ormann, Tanjâ Tzvetkov, Mariana Mezinca und Elvira Ilyeva in Zusammenarbeit mit Steffi Högner vom JB-Jugendmigrationsdienst Karlsruhe, März 2008).

Wir danken der Gemeindeverwaltung Rülzheim und einzelnen Rülzheimer Bürgern, die uns bei unserem Besuch in Rülzheim begleiteten, ebenso den Mitarbeitern der Regionalschule Rülzheim.

Verwandtschaft

Ehemann von: Wolf Karoline
Vater von: Cahn Friederike
Sohn von: Wolf Ferdinand
Vater von: Capell Margot
Vater von: Wolf Paul
Sohn von: Wolf Amalia
Bruder von: Wolf Frieda
Bruder von: Wolf Wilhelm
Bruder von: Wolf Bella

Haus

Bewohner/in: Bergzabernerstraße 22