Vom 1. Weltkrieg bis 1945

Zur Geschichte der Juden in der Pfalz
von Bernhard Kukatzki

Wenn sich in den Jahren ab 1983 in der Pfalz die 50jährigen Firmenjubiläen häuften, so war dies auch eine Folge der "Arisierungspolitik" der Nazis, die die jüdischen Geschäftsleute zur Aufgabe und zum Verkauf ihrer Unternehmungen zwangen. Die Ausschaltung der jüdischen Weinhändler hatte gerade in der Weinregion Pfalz verheerende Auswirkungen und führte zu katastrophalen Umsatzeinbußen. Die von NSDAP-Gauleiter Josef Bürckel 1935 initiierte "Deutsche Weinstraße" diente u.a. dem Zweck diesem zusammengebrochenen Markt wieder auf die Beine zu helfen. Nach 1945 engagierten sich nur noch einige der wenigen zurückgekehrten Pfälzer Juden in den früher so typischen Erwerbszweigen. In der Tabakverarbeitung die Firma Felsenthal in Kaiserslautern, Arnold Feibelmann gründete die Sotaco-Tabakhandelsgesellschaft in Rülzheim. Als Weinkommissionäre arbeiteten wieder die Gebr. Mayer in Bad Dürkheim, den Viehhandel nahmen Max Loeb in Mutterstadt, Adolf Bier in Sembach oder Sally Salomon in Thallichtenberg wieder auf.

Bis 1917 existierte keine pfalzübergreifende jüdische Organisation. Jede Kultusgemeinde war eine selbständige Einheit. Religiös betreut wurden die Pfälzer Juden von vier Rabbinern in den nach dem Zuschnitt der Landgerichtsbezirke gebildeten Rabbinatsbezirken Frankenthal, Landau, Kaiserslautern und Zweibrücken. Darüber hinaus besoldeten einige finanzkräftigere Gemeinden Kantoren und Lehrer. Erst mit der Gründung des Verbandes der israelitischen Kultusgemeinden der Pfalz konnten die pfälzischen Juden mit einer Stimme sprechen.

In den ersten Weltkrieg zogen die Pfälzer Juden als begeisterte Patrioten - manch ein Eisernes Kreuz schmückte jüdische Wohnstuben. Auf den jüdischen Friedhöfen in Busenberg oder Grünstadt künden Grabsteine in Form von Eisernen Kreuzen von dieser Art von Vaterlandsliebe. Wer aufmerksam die Gefallenenlisten pfälzischer Kriegerdenkmäler betrachtet, wird häufig die Namen jüdischer Gefallener finden, wenn sie nicht, wie in einigen Orten geschehen, in der Nazizeit entfernt wurden.
Der tödliche Einsatz für "Volk und Vaterland" wurde den Juden in der Nazizeit nicht gedankt. Als 1933 die Nazis die Macht ergriffen, bekamen dies auch bald die pfälzischen Juden zu spüren, zumal mit dem aus Lingenfeld stammenden Gauleiter Bürckel ein rabiater Antisemit an die Spitze der regionalen Verwaltung gelangte. Bürckel hatte schon seit den 20er Jahren in seinem nationalsozialistischen Kampf- und Propagandablatt "Der Eisenhammer" sich entsprechend hervorgetan. Er veranlasste auch, dass die prächtige Kaiserslauterer Synagoge bereits im September 1938 abgerissen wurde weil sie nicht in ein deutsches Stadtbild hineinpasse.

Im Jahr 1933 lebten in der Pfalz noch 6.487 Juden, die in 74 Kultusgemeinden organisiert waren. Durch die in der Nazizeit nun einsetzende massive Emigration, vor allem in die USA und dem Wegzug in Großstädte außerhalb der Pfalz, in deren Anonymität man sich sicherer glaubte, sank diese Zahl bis zum Jahr 1937 auf 4.294 Personen. Im gleichen Zeitraum mussten wegen der Abwanderung auch zwölf von 74 Kultusgemeinden aufgelöst und deren Synagogen verkauft werden, u. a. in Alsenz, Deidesheim, Frankenstein oder Fußgönheim.
Wer bis 1938 geglaubt hatte, dass jüdisches Leben trotz aller Diskriminierungen und Demütigungen in Deutschland noch möglich sei, wurde spätestens seit der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 eines anderen belehrt - auch in der Pfalz brannten Dutzende von Synagogen oder wurden demoliert, jüdische Geschäfts- und Wohnhäuser geplündert und Menschen misshandelt. Eine erneute Emigrationswelle war die Folge. Im Spätjahr 1940 lebten noch ca. 900 Juden in der Pfalz - Menschen, die sich nicht von ihrer Heimat trennen konnten oder wollten, die keine Ausreiseerlaubnis mehr bekommen hatten oder die kein Land mehr aufnehmen wollte, Menschen die zu alt, krank oder mittellos waren. Am 22. Oktober 1940 wurden die noch verbliebenen pfälzische Juden, ohne Rücksicht darauf ob es sich um Kleinkinder oder Greise handelte, in einer reichsweit bislang einzigartigen Aktion, in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Nur wenige, wie in Mischehen lebende Juden, wurden nicht deportiert. Von den nach Südfrankreich deportierten Menschen Überlebte ein Viertel, die übrigen Personen starben in Gurs oder wurden im Jahre 1942 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.