Jüdisches Altersheim Neustadt Weinstraße

Das jüdische Altersheim in Neustadt / Haardt stand allen jüdischen Bürgern aus der ganzen Pfalz offen. Der 1908 gegründete Israelitische Kreis-Asyl-Vereins für die Pfalz konnte in Neustadt in einer ruhigen Lage in der Hauberallee 11 (früher Karolinenstraße 119) ein Grundstück mit 5.000 qm erwerben. Die Grundsteinlegung erfolgte am 29. September 1912 und Emil Behr, Vorsitzender der Kultusgemeinde, war stolz auf das bisher Erreichte. Die Einweihung fand 2 Jahre später unter großer Anteilnahme der ganzen Bevölkerung statt. Die Rabbiner aus Landau, Neustadt und Kaiserslautern sprachen ihre Dankbarkeit aus über dies Unternehmen, das „ein ehrenhaftes Denkmal der Eintracht und gegenseitigen Duldung unserer gesamten Bürgerschaft“ sei. So wurde das Altersheim gefeiert als ethische Leistung und als Werk wahrer Menschenliebe.
 
750.000 Goldmark kostete der Bau des Altersheims – gelobt wegen seiner schönen Lage, dem architektonisch gelungenen Gebäude, der vorzüglichen Inneneinrichtung mit Gemeinschaftsraum, Betsaal und Gartengestaltung. Der hohe Betrag wurde finanziert durch großes Spendenaufkommen und regelmäßige Mitgliedsbeiträge aus der Pfalz, aus Deutschland und dem Ausland. Allein der Kreis-Asyl-Verein konnte in 5 Jahren stolze 125.000 Reichsmark beisteuern.
 
Die Einweihung erfolgte am 10. Mai 1914. Emil Behr (Ehemann der aus Ingenheim stammende Emilie geb. Marx) übernahm die Leitung des Hauses ehrenamtlich, da es ihm eine Herzensangelegenheit wurde. Oberin wurde Frau Karola Adler. Beide betreuten die Bewohner dort über fast 25 Jahre. Im April 1938 wurde Emil Behr kurzerhand seines Amtes von der Gestapo enthoben, „da er sich zu wenig um die Auswanderung jüdischer Jugend kümmere.“
 
Schon Anfang der zwanziger Jahre war das Haus zu klein. Es erfolgte ein Neubau auf dem Gelände, dem sogenannten Karolaheim.
 
Mit der Machtergreifung 1933 änderte sich die Situation für die Juden grundlegend. Die Zahl der Auswanderer, besonders der Jüngeren, wuchs, die auf einen Neuanfang im fremden Land hofften. Die Gemeinden wurden immer kleiner, eine schlimme Zeit für die alten jüdischen Mitbürger. Auch die Zahl der Anmeldungen im israel. Altersheim wuchs stetig und bald konnten nicht mehr alle aufgenommen werden. In dieser Situation mietete der Kreis-Asyl-Verein Räumlichkeiten in der Fröbelstraße 5 an, dem Rosenstielschen Anwesen. Trotzdem musste noch ein Anbau auf dem Gelände des Altersheims in der Karolinenstraße errichtet werden.
 
Mit der Pogromnacht ändert esich alles dramatisch. Nachdem zuerst die Synagoge brannte und anschließend Geschäfte und Ladeneinrichtungen zerstört wurden, wurde in den frühen Morgenstunden des 10. Novembers auch das Altersheim ein Raub der Flammen. Vorher wurden die dortigen Bewohner unter Beschimpfung und mit Knüppelgewalt aus ihren Betten und im Nachthemd und teilweise barfuß auf die Straße getrieben. Als die Feuerwehr nach Löscharbeiten an der Synagoge in die Karolinenstraße kam, war das Altersheim schon weitgehend abgebrannt.
 
Die meisten Bewohner kamen vorübergehend in die Fröbelstraße 5, um von hier aus nach Möglichkeit zu emigrieren. Andere fanden eine notdürftige Unterkunft im jüdischen Altersheim Mannheim. Doch sie wurden mit der sogenannten Bürckel-Wagner-Aktion am 22. Oktober 1940 nach Gurs verschleppt, wo viele in eisiger Kälte und den schlimmsten hygienischen Verhältnissen den Tod fanden. Zwei Heimbewohnerinnen allerdings sind bei dem Brand um Leben gekommen: Camilla Haas aus Blieskastel (* 18.6.1855) und Fanny Bender aus Pfifflingen (* 17.11.1854).
 
Im späteren Prozess wegen Brandstiftung wurden 27 Beschuldigte wegen Mangels an Beweisen freigesprochen und gegen 16 Anklage erhoben und teilweise zu einer Zuchthausstrafe verurteilt.
 
Nach: Hilde Schmidt-Häbel in „Vorbei-Nie ist es vorbei“ – Beiträge zur Geschichte der Juden in Neustadt an der Weinstraße – Schriftenreihe der Bezirksgruppe Neustadt im Historischen Verein der Pfalz – Neustadt 2005 – Herausgeber: Paul Habermehl und Hilde Schmidt-Häbel (vergriffen!)
 
Nach dem Ende des Krieges kehrte Fritz Siegel – (sein Lebens- und Leidensweg ist nachzulesen unter: Jüdisches Leben in Ingenheim – Menschen – Namen und Leben – Fritz Siegel) nach Landau zurück. Es lag ihm am Herzen, die geschändeten jüdische Friedhöfe wieder herrichten zu lassen. Vor allem aber was es ihm ein Herzensanliegen das zerstörte Altersheim in Neustadt wieder mit Leben zu erwecken. In seinem Betreiben zuerst als stellvertretender Vorsitzender, ab 1950 dann Vorsitzender der sich neu konstituierten israelitischen Kultusvereinigung der Rheinpfalz, konnte endlich 15 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unter großen Anstrengungen der Neubau des jüdischen Altersheimes eröffnet werden. Hier kümmerte er sich intensiv um die neuen Bewohner.
 
Dass bereits 1988 das Haus wegen zu geringer Belegung wieder geschlossen werden musste, hat Fritz Siegel nicht mehr erleben brauchen (gestoben 1978). Heute erinnert am ehemaligen Standort des Altersheims eine Gedenkplatte an die Geschehnisse der Reichspogromnacht.
 
Die Stadt Neustadt freute sich im Jahr 2014, dass an dieser historisch belasteten Stelle durch den Umbau und die Errichtung von Eigentumswohnungen wieder eine neue Nutzung gefunden wurde. Die zunehmende Verwahrungslosung der Gebäude seit Aufgabe der Nutzung durch das Christliche Jugenddorf sei der Bedeutung des Ortes nicht angemessen gewesen! (So der damalige Kulturdezernent Marc Weigel).