im 20. Jahrhundert

Im ersten Weltkrieg hatten die pfälzischen Juden als begeisterte Patrioten ihr Leben aufs Spiel gesetzt und 22.000 Pfälzer haben dabei ihr Leben verloren! (Aus Ingenheim starben in diesem Krieg: Max Haas, Max Marx und Leutnant Viktor Moritz, und in Ingenheim geboren: Eugen Müller, Emil Siegel und Wilhelm Roos). Doch dieser Einsatz wurde den Juden später nicht gelohnt.

Mit der Machtergreifung Hitlers sollte es endlich mit einem gütlichen Zusammenleben arischer Menschen mit Juden ein Ende haben. Bereits in "Mein Kampf" (1924) bezeichnet Hitler die Juden als "Parasit im Körper anderer Völker" und als "Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet". Schon vorher hatte die NSDAP 1920 in ihrem Parteiprogramm klar gemacht: "Kein deutscher Jude kann (daher) Volksgenosse sein." Mit  dem Hinweis, "der Hauptschuldige am Deutschen Elend seien die Juden", versuchte die NSDAP eine "plausible" Erklärung zu suggerieren, angesichts der großen wirtschaftlichen Probleme der Weimarer Republik.

Und so lag es nahe, dass mit der Machtergreifung 1933 diese Politik der stetigen Verteufelung des Juden als ,"ewiger Feind" und "Weltverschwörer" kontinuierlich weitergeführt und durch die Förderung der Judenfeindlichkeit die Grundlage geschaffen war, antisemitische Aktionen als "Abwehrkampf" zu deklarieren und so unter der Bevölkerung tolerabel zu machen. Von jetzt an wurde alles unternommen, um die Demütigung und Verelendung der jüdischen Bevölkerung voranzutreiben. Mit der Unterscheidung zwischen "schaffendem" (arischem) und "raffendem" (jüdischem) Kapital leitete man am 1. April 1933 den Boykott aller jüdischen Geschäfte, wie auch der Arztpraxen und Rechtsanwaltskanzleien durch die SA ein.

Sieben Tage später folgte das Gesetz ,"zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" und damit die Entfernung viele jüdischer Beamter, die einfach in den Ruhestand geschickt wurden. Bald erschienen "Juden unerwünscht"-Schilder an Ortseingängen, an Geschäften und Restaurants. Der Reichstag der NSDAP verabschiedete am 15. September 1935 die antisemitischen "Nürnberger Gesetze", also das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" und das "Reichsbürgergesetz", das die bereits vollzogene totale Ausgrenzung der Juden aus dem Rechtsverband der Reichsbürger nun juristisch untermauerte.

Immer enger wurde der Lebensraum der Juden eingeschränkt: jüdische Kinder wurden in eigenen Schulklassen zusammengefasst. Von weiterführenden Schulen blieben sie ausgeschlossen. Jüdische Gemeinden durften nicht mehr "Körperschaften des öffentlichen Rechts" sein, das Sprechen der hebräischen Sprache wurde verboten. Die spezielle Kennzeichnung jüdischer Betriebe wurde verordnet. Bei Finanzämtern und der Polizei wurden Listen vermögender Juden angelegt. Jüdische Ärzte durften nur noch als "Krankenbehandler für Juden" tätig sein. Seit dem 1. Januar 1939 mussten die Juden ihrem Vornamen entweder "Israel" oder "Sara" hinzusetzen. Gemäß einem Gesetz vom April 1939 wurden - unter Aufhebung des Räumungsschutzes - jüdische Familien in sogenannten "Judenhäusern" zusammengelegt.

Die Reichspogromnacht (lächerlich als "Reichskristallnacht" benannt) vom 9. zum 10. November 1938 war ein Markstein auf dem Weg der antijüdischen Ausschreitungen. Wie im übrigen Reich brannte auch in Ingenheim die Synagoge, wurden auch in Ingenheim Geschäfte geplündert, Wohnungseinrichtungen zerstört und Juden gedemütigt. Am 10. November wurden die arbeitsfähigen Männer nach Landau verbracht, um anschließend im Konzentrationslager Dachau interniert zu werden. Frauen und Kinder mussten über den Rhein und wenn sie Glück hatten, konnten sie dort bei Verwandten unterkommen. Brandschatzung und Plünderung und an manchen Orten auch Mord - das war die Bilanz des Novemberpogroms.

Ein deutliches Zeichen war gesetzt, dass für alle noch in Deutschland lebenden Juden unter diesem Regime eigentlich nur noch die Wahl blieb zwischen Flucht oder Tod.
Hatten bereits etliche Juden unmittelbar nach der Machtergreifung die Flucht ins Ausland ergriffen, blieb die Mehrheit dennoch im Reich, zum einen aus Liebe zur Heimat, zum anderen weil die Möglichkeiten zur Auswanderung immer eingeschränkter wurden.

Nach der Reichspogromnacht wurde vom Reich an den Besitz der Juden Hand angelegt. Man nahm ihren ihr Vermögen, beschlagnahmte ihren Grundbesitz, leitete Zwangsverkäufe ihrer Geschäfte ein - schließlich sollten die Juden als "Sühneleistung" für die Zerstörungen der Reichspogromnacht die angerichteten Schäden selbst bezahlen und das vorherige Straßenbild wieder vernünftig herstellen.

Wer fliehen konnte, tat es jetzt. Denn von Auswanderung kann man eigentlich nicht sprechen, "es war immer nur Flucht". Doch die Diskriminierung durch die Vorschriften der Verwaltung machten es den Juden unmöglich, Eigentum in größerem Umfang mitzunehmen. Die "Reichsfluchtsteuer" betrug 25% des Vermögens. Dazu wurde der Devisenverkehr so sehr eingeschränkt, dass die Freibeträge, die ohne Genehmigung ausgeführt werden durften, von 1.000 M 1931 auf 10 M 1934 gedrosselt wurden. Auch musste bei Verdacht auf Auswanderung eine Sicherheitsleistung für die fälligen Raten der Judenvermögensabgabe (die sogenannte "Sühnerate" ebenfalls 25%) geleistet werden. Auch die Mitnahme von Umzugsgut wurde immer weiter eingeschränkt. Detaillierte Verzeichnisse mussten angefertigt werden und für sogenannte "Neuanschaffungen" mussten angemessene Abgaben an das Reich entrichtet werden.

Doch vielen war die Flucht verwehrt: die einen waren zu alt dazu. Andere hatten auf Grund ihres Berufes kaum Chancen im Ausland. Wieder andere konnten ganz einfach die hohen Gebühren an das Reich und das Geld für die Überfahrt nicht aufbringen. Dennoch konnten nach dem Pogrom ca. 2.000 jüdische Menschen die Pfalz verlassen. Darunter befanden sich auch etliche Ingenheimer Juden.

Am 22. Oktober 1940 ließen die Gauleiter Bürckel (Saarpfalz) und Wagner (Baden) die in ihren Gauen noch vorhanden Juden in menschenunwürdigen Viehwaggons von Ludwigshafen ins südfranzösische Lager Gurs deportieren. Unter ihnen auch die letzten vier in Ingenheim Verbliebenen: Paul Meyer (geb. 28. Dezember 1916 - konnte in die Dominikanische Republik entkommen), Katharina Meyer geb. Herz (geb. 16. Juni 1882 - in Auschwitz ermordet), die verwittwete Lina Siegel (geb. 5. August 1880 - in Gurs verstorben) und Rosa Haas (geb. 29. Oktober 1873 - in Gurs verstorben).

Von diesem Zeitpunkt war das jüdische Leben in Ingenheim endgültig erloschen.