Verzeichnis

 

Joseph Siegfried Richard

Beruf(e): Kaufmann
Geburtsdatum: 09.08.1882
Geburtsort: Ingenheim
Sterbedatum (Todestag): 31.08.1942
Sterbeort: Auschwitz / Polen
Wohnort(e): Ingenheim, Landau / Pfalz, Heidelberg, Mannheim

Richard Siegfried Joseph wurde am 9. August 1882 in Ingenheim in der Bergzabernerstraße 210, heute Hauptstraße 10, als Jüngster von sieben Geschwistern geboren. Seine Eltern Joseph Joseph und Sarah geb. Marx waren im Fruchthandel tätig.

Nachdem der Vater am 22. Januar 1885 verstorben war, zog Richard 1893 nach Landau zu seinem Bruder Albert, der am 21. Januar 1866 in Ingenheim geboren, zwischenzeitlich Mitinhaber der Landauer Weinhandlung „Marx & Joseph oHG Weinkellerei Landau / Pfalz“ im Ostring 14 war. Die bestand seit 1891 als kleine Wein- und Kolonialwarenhandlung in der Ludowicistraße. Doch schon 1898 wurde das Haus in Ostring 14 errichtet und 1901 eine Villa auf dem gegenüberliegenden Grundstück Ostring 12.

Joseph besuchte in den Jahren 1896 bis 98 die 5. und 6. Klasse des Progymnasiums in Bad Bergzabern.

Am 25. Dezember 1912 heiratete er Ilse Ida Barth, die am 22. Juni 1893 in Illingen / Saar geboren wurde.

Die beiden hatten drei Kinder: die Töchter Margit (geb. 16. September 1913 in Landau – verheiratete Cahn), Annemarie (geb. 25. September 1918 in Würzburg) und Gertraud (genannt Traute) Eva (genannt Odette) (geb. 22. Februar 1915 in Landau – verheiratete Kahn).

Nachdem Bruder Albert Joseph überaus erfolgreich im Weinhandel war, zog er sich schon bald aus dem Geschäft zurück, um in vielen Gremien wie dem Synagogenausschuss, dem Verband der israelitischen Kultusgemeinden der Pfalz und im Verband der Bayerischen Israelitischen Gemeinden segensreich zu wirken.

So übernahmen Richard und sein neun Jahre älterer Bruder Emil nun im Ostring 12 die Geschäftsführung der Firma „Marx & Joseph oHG Weinkellerei Landau“. Die Geschäfte entwickelten sich prächtig, sodass die beiden Brüder Emil und Richard expandierten und die Firma „ Deutsche Weinkellerei Bingen / Rhein – Büdesheim“ erwarben.

In seiner Wahlheimatstadt Landau / Pfalz trat der erfolgreiche und dem entsprechend mit finanziellen Gütern gesegnete Richard Joseph der SPD bei und engagierte sich hier von 1920 bis 1933 als Stadtrat und in verschiedenen Ausschüssen, wie etwa dem Haupt- und Finanzausschuss und dem Verwaltungs- und Polizeirat. Eine Zeit lang hatte er auch den Posten eines ehrenamtlichen vierten Bürgermeisters inne.

Nach erfolgreichen und florierenden Jahren im Weinhandel und in der Stadtpolitik änderte sich das Blatt schlagartig mit der Machtergreifung der braunen Diktatur 1933. Gerade in seiner Position als SPD-Mitglied und vor allem auf Grund seiner jüdischen Abstammung war Richard den Nazis ein Dorn im Auge. So trägt seine Tochter Eva vor, dass ihr Vater Richard seit der Machtergreifung mehrfach in Haft war. Vom 17. März bis zum 8. April 1933 war er im KZ Neustadt / Weinstrasse inhaftiert. Anschließend wurde er am 8. April ins Gefängnis Landau überstellt. Am 1. Januar 1938 wurde Richard aus seiner Berufstätigkeit verdrängt. Am 12. November 1938 – nach der Reichspogromnacht – wurde Richard durch die Gestapo Neustadt nach Dachau in Schutzhaft genommen: Häftlingsnummer 25467 Grund: „Sch.J“ (Schutzhaft Jude). Gestapovermerk: „Joseph ist Jude und war ein großer Gegner der NSDAP. Als solcher muss er auch heute bezeichnet werden, obwohl er nach der Machtergreifung nicht mehr hervorgetreten ist. Er verkehrt nur in jüdischen Kreisen.“

Zwischenzeitlich haben die Brüder Emil und Richard Joseph am 11. September 1936 in Bingen / Büdesheim die Fassweinvorräte, die Flaschenweine, alles Inventar und Geschäftsutensilien für ca. 86.000 RM an ihren Geschäftsführer Peter Dieter verkauft und die Grundstücke mit Gebäuden, Kellereien und Zubehör an ihn verpachtet. Am 14. März 1940 haben sie dann – weit unter dem damaligen Marktwert - die Grundstücke zum Kaufpreis von 100.000 RM an Peter Dieter veräußert. Allerdings haben die beiden Brüder von dem Erlös nicht viel gehabt. 70 % des Kauferlöses mussten als Judenvermögensabgabe und als Reichsfluchtsteuerabsicherung an das Finanzamt abgezweigt werden. Über den Rest konnten die beiden kaum verfügen, da sie kurz nach dem Erhalt des Geldes deportiert wurden und damit das verbliebene Vermögen dem Reich verfiel.

Nicht viel anders geschah es mit den Vermögenswerten in Landau. Im November 1938 musste Richard Joseph eine Vollmacht unterschreiben, die den Kreiswirtschaftsberater der Kreisleitung der NSDAP Dr. Rapp und seinem Stellvertreter Dr. Lieberich als Treuhänder einsetzten, um den sämtlichen Grundbesitz, sämtliches Inventar, sowie die Nutzungsrechte daran, an die Auffanggesellschaft für jüdisches Vermögen in Neustadt / Weinstraße zur Verwertung zu übertragen. Dies geschah mindestens unter moralischen Zwang, wie es auch andere am 11. November 1938 im jüdischen Betsaal in Landau, Schütuemhausgasse, hart am eigenen Leibe erfahren mussten. Zum Spottpreis von 55.000 RM wurde dann am 30. November 1938 alles an die Saarpfälzische Vermögensverwertungsgesellschaft Neustadt / W verkauft. Diese wiederum veräußerte die Grundstücke an die Bürgerstiftung Landau, die auf dem vorhandenen Gelände den Bau eines neuen Krankenhauses geplant hatte. So kam es, dass eine solide Firma mit hohen Betriebsumsätzen, sehr gutem Betriebsgewinn und einem ansehnlichen Betriebsvermögen gleichsam verhökert wurde, wobei die Judenvermögensabgaben und die Sicherstellung der Reichsfluchtsteuer im Falle der Emigration den größten Teil des Erlöses zunichtegemacht haben.

Auf Grund all dieser Ereignisse, besonders der Reichspogromnacht, hoffte die Familie Unterschlupf in der anonymen Großstadt zu finden. So übersiedelten sie am 15. Oktober 1940 nach Mannheim M 7,1 bei Dr. Salz. Doch wenige Tage später am 22. Oktober 1940 wurden Richard und Ilse Joseph zusammen mit ihrer Tochter Annemarie durch die Gestapo Mannheim mit über 875 weiteren Menschen jüdischen Glaubens ins Internierungslager Gurs in Südfrankreich evakuiert. Die Einweisung dort dauerte vom 25. Oktober 1940 bis zum 6. August 1942. Vermutlich am 6. August 1942 (laut Bundesgedenkbuch am 10. 08.) erfolgte die Deportation über das Lager Drancy nach Auschwitz. Dort wurden sie auf den 31. August 1942 für tot erklärt.

Exkurs:

Die Firma Marx & Joseph hatte ihren Standort im Ostring ausgewählt, weil die Industriestraße an einem Eisenbahngleis lag. Durch die Schienenanbindung gab es eine hervorragende Transportmöglichkeit für die großen, schweren Weinfässer. Auch wird das großzügige Areal mit ausschlaggebend gewesen sein.

Dies konnte nur geschehen, da zum Ende des 19 Jhd. in Landau die Entfestigung durchgeführt worden war. So konnten sich die Firmen ausbreiten – vorher bestand ein Verbot für eine Bebauung außerhalb der Festungsanlage!

Um 1892 existierten in Landau gut 40 Weinhandelsbetriebe, davon waren dreiviertel in jüdischem Besitz. 1905 kamen auf 13.000 Landauer Bürger 92 Weinhandlungen und Weinkommissionen, von denen 71 von Juden betrieben wurden. 1912 war jeder 4. männliche Landauer Jude im Weinhandel tätig. Somit stellte der Weinhandel einen ganz gewichtigen wirtschaftlichen Faktor der Stadt dar!

Mit dem nationalsozialistischen Boykott der Juden machten die Nazis aus dem blühenden Weinhandel eine Episode, die gerade mal 2 Generationen gedauert hat. Die Entrechtung und die Vertreibung der Juden aus Deutschland erwies sich als folgenschwerer wirtschaftlicher Bumerang. Es entstand eine Lücke im Weinhandel, den die „arischen“ Betriebe nicht annähernd ausfüllen konnten.

Die Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben fand auf mehreren Ebenen statt:

  • Einschränkung bzw. Aufhebung sämtlicher Bürgerrechte
  • Bestimmungen und Boykottmaßnahmen, die jede wirtschaftliche Betätigung unmöglich machten und die Betriebe finanziell auffraßen
  • 1934 Verbot von Geschäftsneugründungen
  • Reichspogromnacht 9. / 10. November 1938: es wurde die „Judenvermögensabgabe“ zwecks „Wiedergutmachung (!) der Schäden“ erhoben. Wenn die Abgabe nicht entrichtet wurde, wurde sie zwangsweise eingetrieben.
  • Seit November 1938 durfte kein Jude mehr ein Geschäft oder Handwerk betreiben.

Damit war die Existenzgrundlage zerstört! Daher versuchten die meisten, Landau und damit Deutschland zu verlassen. Nur ältere Juden, die keine Chance zur Auswanderung hatten wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert.

Ein Großteil der Weinhändler ging nach Übersee, flüchtete in die USA. Mitte des 19. Jhd. waren bereits – wegen der Industriealisierung und wirtschaftlichen Miseren – viele Pfälzer nach Amerika emigriert. So bestanden oft verwandtschaftliche Kontakte, die erst die Ausreise ermöglichten, da jeder Emigrant einen Bürgen im zukünftigen Land aufweisen musste, um zu bestätigen, dass die Neuankömmlinge dem Staat nicht zur Last fallen werden.

Wer vor der Emigration seine Häuser und Grundstücke verkaufte, musste dafür eine „Reichsfluchtsteuer“ entrichten, die den größten Teil des Erlöses auffraß.

Um dem Weinhandel wieder Aufschwung zu geben, kam Bürckel auf die Idee, eine „Weinstraße“ zu errichten mit zwei Toren (in Schweigen und in Bockenheim), um den Weinabsatz zu beflügeln. Doch sollte er damit – wegen des bald einsetzenden Weltkrieges – keine großen Erfolge aufweisen können.

(Kurzfassung nach Angelika Pichotta: Jüdische Weinhändler in Landau – in dem Sammelband: Juden in Landau – Beiträge zur Geschichte einer Minderheit (herausgegeben vom Stadtarchiv Landau Band 7).

Verwandtschaft

Ehemann von: Joseph Ilse Ida
Vater von: Cahn Traute
Vater von: Cahn Margit
Vater von: Joseph Annemarie
Sohn von: Joseph Josef
Sohn von: Joseph Sara(h)
Bruder von: Joseph Albert
Bruder von: Joseph Emil
Bruder von: Joseph Julius
Bruder von: Joseph Anna
Bruder von: Strauss Emma
Bruder von: Weiler Bella
Bruder von: Joseph Cölestine