Strauß Jakob
Gestorben Freitag, 19. Oktober 1810.
Hochrechteckige, gerahmte Stele mit eingezogenem Flachbogenabschluss, unter dem Bogen die Einleitungsformel mit einer dreiblättrigen Blüte. Zwischen dem Rund des Bogen und dem Schriftfeld horizontale Rahmenleiste. In Z. 8 Buchstabe teilweise auf dem Rahmen. Schrift auf der Vorderseite erhaben, auf der Rückseite eingetieft. Sehr geringe Wortabstände.
Z. 2: חבר (chawer), „Freund“, „Genosse“, „Kollege“, ein Ehrentitel für einen Torakundigen. Im Mittelalter konnte chawer einen angehenden Gelehrten bezeichnen, dem (noch) nicht der Titel רב (raw), „Meister“, oder מורנו (morenu), „unser Lehrer“, verliehen worden war. Im 19. Jahrhundert meint chawer eher den „Mitlernenden“, der einem anderen Broterwerb nachgeht, aber dennoch beständig Tora lernt, in der Gemeinschaft anderer Lernender. In Ingenheim bleibt der Titel aber selten und kennzeichnet einen überdurchschnittlich Torakundigen.
Z. 2 und 5: ש"ץ, שליח צבור, „Gesandter der Gemeinde“, Bezeichnung für den Vorbeter, die im Laufe der Zeit auch den Charakter eines Zunamens annahm (SchaZ).
Z. 3: Der in der Abkürzung מהור"ר enthaltene Titel מורנו morenu, unser Lehrer, bezeichnet einen anerkannten, i.d.R. einen ordinierten Gelehrten, der aber nicht zwingend als Rabbiner amtierte.
Z. 3b/4a: הלך לעולמו, „hinging in seine Welt“, vgl. Kohelet 12,5.
Z. 4: Hoschanna Rabba ist am 21.Tischri.
Z. 5: כאן, „hier“, d.i. die Gemeinde Ingenheim.
Z. 6: Verschreiber, מתצסיק statt מתעסק.
Z. 8: להןציל (!), vermutlich gemeint: להועיל, wie in Z. 6 und auf der Rückseite צ statt ע, außerdem ן statt ו. Vgl. Jesaja 48,17.
Z. 8b/9a: Nach mAv 1,1.
Rückseite: Auch hier Buchstaben teilweise falsch geschrieben, das ע sieht wie ט aus, das נ wie כ oder ב. Würde man die Namen nicht kennen, würde man in Z. 1 eher יטקב lesen, in Z. 2 als Ortsnamen איכגטבהיים.
Abkürzungszeichen: Punkte, Doppelstriche.
Jaakows Gattin Vogel/Vögele Jeremias geb. Mendel, gest. 1800, liegt neben ihm begraben (Stein S 067, zu den Kindern siehe dort).
Die Inschrift würdigt Jaakow b. Jirmeja auf mehrere Weisen als langjährigen, einflussreichen Vorbeter seiner Ingenheimer Gemeinde. Wenngleich er nicht wie sein Vater den höherrangigen Gelehrtentitel morenu erwarb, sondern chawer blieb, „erteilte er Lehre“ und „stellte viele Schüler“ auf. Gerade in Gemeinden ohne Rabbiner vor Ort konnte ein chawer und Vorbeter durchaus über halachische Autorität verfügen.