Arbeitskreis Pflege des Jüdischen Friedhofes in Ingenheim

Es gilt im Judentum die Regel, den Friedhof nicht zu oft zu besuchen. Man soll sich mit dem Tod abfinden lernen und wieder dem Leben zuwenden. Nur am Jahrestag des Todes ist es eine pietätvolle Pflicht, am Grab innezuhalten. Am Sabbat oder einem Festtag ist der Besuch des Grabens streng verboten, um nicht die Freude dieser Tage zu verderben. Auch in der 1. Phase der Trauerzeit ist ein Besuch verboten. Es geht dabei um die langsame Ablösung vom Verstorbenen, um wieder Kraft für das eigene Leben zu sammeln.

Daraus ergeben sich auch Konsequenzen für die Grabpflege. 

Das verbreitete Argument lautet: Überlasst die Friedhöfe der Natur und dem natürlichen Verfall. Doch diese Meinung ist durch keine jüdische Überlieferung zu belegen. Diese Vorstellung rührt sicher aus dem Bedenken heraus, man solle die Gräber nicht übermäßig pflegen - um sich nicht an den Tod zu verlieren. Darum sollen Bäume und Sträucher in ihrer Natürlichkeit erhalten bleiben. 

Aber dennoch fordert der Respekt vor den Toten, die hier das Recht auf eine dauerhafte Totenruhe genießen bis der Messias kommt und die Toten auferstehen werden, eine gewisse Grabpflege: 

Denn das, was uns noch von unseren ehemaligen jüdischen Mitbürgern geblieben ist, sind eben diese Grabstätten. Von ihnen können wir etwas erfahren von ihrer Geschichte und ihrer Kultur. Das sind Werte, die wahrhaft für unsere Ortsgemeinde und die Nachbarorte, die auf diesem Verbandsfriedhof ebenfalls bestattet haben, erhaltenswert sind! 
Daher muss ein Grab erreichbar sein. Die Inschrift muss lesbar sein, damit in der Erkennbarkeit die Verbindung zum Toten erhalten bleibt.
Und natürlich müssen die Steine vorm Umstürzen geschützt und vor Überwucherung bewahrt werden. Auch müssen Bäume, die auf die Gräber zu fallen drohen, beseitigt werden. 

Das Ehepaar Drieß aus Ingenheim hat von 1958 bis 1985 den jüdischen Friedhof in Schuss gehalten. Damals musste zuerst der ganze Friedhof freigeschnitten und Efeu entfernt werden. Teilweise mussten Grabsteine wieder aufgestellt werden. Herr Kindermann von der jüdischen Kultusgemeinde in Neustadt kam häufig vorbei und machte bei Familie Drieß in der Rohrgasse Besuch. Sie durften weder etwas für den Friedhof bei Pfalzgraf Heinrich kaufen, noch dort den Mäher reparieren lassen. 
Als "Dank" für ihren Einsatz auf dem jüdischen Friedhof wurden sie von einem vorbeifahrenden Bauern angefeindet mit den Worten: "Habt ihr das nötig, ihr Judenkratzer"! 

Der Vater von Frau Annemarie Dries, Jakob Beiner, geb. 1897, war der Chauffeur von Dr. Jeremias. Er ist in Yad Vashem auf einer Tafel für gute Menschen benannt und zwar auf Grund der Tatsache, dass er und Dr. Jeremias mit dem Taxi von J. Beiner Juden nach Frankreich / Elsass transportiert und damit erst einmal gerettet hatten. Als "Strafe" sozusagen für dieses Engagement wurden Jakob Beiner und Dr. Jeremias einmal entführt und bei Hofstätten gefesselt festgehalten, bevor man sie hat wieder laufen lassen.

Unter dem Thema: „Alternative Ferien“ haben sich seit dem 15. Juli 1979 sieben junge Leute aus der ganzen Bundesrepublik im Auftrag des Internationalen Bauordens um den jüdischen Friedhof in Ingenheim gekümmert. Sie nächtigen auf dem Campingplatz unterhalb des Friedhofes und haben in diesen Tagen den Zaun rund um das große Friedhofsarsenal erneuert. Und das teilweise in Knochenarbeit, um Wurzelwerk zu entfernen und dann Löcher für die Pfosten zu graben.
Es sind junge Leute dabei, die einmal etwas Sinnvolles in den Ferien tun wollten. Durch die Sendung des Fernsehens „Alternative Ferien“ sind die meisten von ihnen zum Bauorden gekommen.
Neben der körperlichen Beschäftigung haben sie auch Kontakt mit der jüdischen Kultur und ihren Bräuchen aufgenommen. Viele ihrer Fragen konnten in dieser Arbeitswoche beantwortet werden.
Ihre Arbeit wurde nicht nur von der jüdischen Kultusgemeinde geschätzt. Die jungen Leute kamen auch mit Bürgern aus Ingenheim in Verbindung (zB. mit Familie Kurt Bangerth), die sie herzlich aufnahmen und bewirteten. Die Rheinpfalz berichtete darüber.

Herr Kamenetzki von der jüdischen Kultusgemeinde, zuständig für die Friedhöfe, berichtete im Jahr 1985: Der Friedhof wurde das ganze Jahr gepflegt. Er befindet sich in einem sehr guten Zustand. Bei diesen vier Besuchen wurde immer wieder festgestellt, dass viele Besucher kommen. Das Haupttor kann man ohne Schlüssel, durch Aushaken der Stange öffnen. Die Besucher wollen den Schlüssel nicht holen. Das Problem muss gelöst werden. Auch muss die Umzäunung repariert werden. Der Friedhof wurde vor ca. 15 Jahren durch einen Bildhauer renoviert. Die Steine gedübelt. Nun sind inzwischen sehr viele Steine nicht mehr standfest. Eine durchgreifende Baum-Renovierung von einem Fachmann wäre dringend nötig.

Ab 1. August 1984 bis 31. Dezember 1987 übernimmt Volker Rinck, Ingenheim, die gärtnerische Pflege des jüdischen Friedhofes. Die Tätigkeit umfasst drei Stunden an vier Tagen jeder Woche. Lohn- und Kirchensteuer werden von der Kultusgemeinde abgeführt. Kostenersatz für Anschaffungen, die als Werkzeug für die Tätigkeit erforderlich sind, desgleichen Benzin für den Mäher. Die Tätigkeit erstreckt sich voraussichtlich nur auf die Monate April bis Oktober eines Jahres. Es gehört zu den Aufgaben: mindestens viermal im Jahr mähen - Spritzen mit gelieferten Spritzmitteln (!) - Laub entfernen - Baum- und Buschpflege - Kompostieren des gemähten Grases (Kompost darf beliebig verwendet werden) - Keine Verbrennung!
Dazu erhält er: einen Motormähbalken und ein Ersatzmesser. Einen Friedhofsschlüssel zu treuen Händen. Die Arbeit prüft Herr Kamenetzki aus Neustadt / Weinstraße.

Am 31. März 1987 schreibt die Kultusgemeinde an den Bürgermeister von Ingenheim:
"Unser Friedhof in Ingenheim ist der einzige, der nicht von einer politischen Gemeinde, entsprechend der seit 1957 bestehenden Regelung durch einen Ministererlass, gepflegt wird.
Da wir auf Grund unseres Sitzes in Neustadt / Weinstraße mit der Vergabe der Pflegearbeiten Probleme haben, bitten wir um Ihre Überlegung, ob nicht auch die politische Gemeinde Billigheim-Ingenheim, so wie auch anderswo, ab 1. Januar 1988 die Pflege übernehmen könnte. Die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz stellt den Gemeinden dafür einen Betrag zur Verfügung, der im Jahre 1988 DM 6.954 beträgt. Wir bitten Sie, um Ihre und des Gemeinderates Zustimmung und erwarten Ihre Nachricht.
Kindermann.“

Ab 1. Januar 1988 übernimmt die politische Gemeinde dann die Pflege auf Grund obiger Tatsache. Für diese Tätigkeit kann Karl Reuther aus Ingenheim bis 1994 gewonnen werden. Er schreibt am 05. April 1992 an den Ortsbürgermeister Erich Heugel:
"Ich habe festgestellt, dass zwischenzeitlich etwa 100 Steine nicht mehr standsicher sind. Da jetzt wieder die Zeit beginnt, in der fast täglich Besucher - auch Schulklassen - zum Friedhof kommen, möchte ich Dir mitteilen, dass ich jede Verantwortung für evtl. Unfälle durch umfallende Steine ablehne. Ich warne natürlich die Besucher, sowie die Lehrer und Kinder über die Gefahren, aber es ist unmöglich z.B. Kinder immer zu beaufsichtigen. 
Des Weiteren möchte ich Dich bitten, doch möglichst bald den Gemeindearbeiter (wie versprochen) mit der Motorsäge für zwei bis drei Stunden mir zur Verfügung zu stellen, um die zum Umfallen neigenden Bäume abzusägen.
Weiter bitte ich die beiden Abfallhaufen mit Bagger und LKW abzufahren, da für den neu anfallenden Abfall Platz benötigt wird."
Karl Reuther berichtet weiter: Schlüssel haben außer ihm noch Frau Siegel, das Autohaus Johannes und die Klingbachschule. Er bittet zu eruieren, wer noch einen Schlüssel hat: "Zu dieser Bitte besteht Veranlassung: Schon mehrmals war der Haupteingang nicht verschlossen, als ich zum Friedhof kam. Der Schlüssel war nur einmal umgedreht und nicht (wie nötig!) zweimal!!! Ich bitte im Verständnis für mein Anliegen!
Der Friedhof ist jetzt soweit in Ordnung, dass man gerne Besucher die schöne Anlage zeigen kann. Der Friedhof wird - auch durch die Touristikmitteilungen - immer bekannter in ganz Deutschland und (ich bitte um Verständnis) man ist auch ein bisschen stolz, dass man dazu mitgeholfen hat."

Die jüdische Kultusgemeinde mit Sitz in Neustadt, Ludwigstraße 20, teilt mit, dass die für alle jüdischen Friedhöfe in der Pfalz eine Haftpflichtversicherung bei der "Nordstern" abgeschlossen haben. Weiterhin stellt sie fest, dass die Arbeiten zur Zufriedenheit aller erledigt werden. 

Nachdem Herr Reuther aus Gesundheitsgründen aufhörte, wurde wohl zeitweise nichts bis sehr wenig dort gearbeitet (evtl. durch Gemeindearbeiter oder Aushilfen), bis am 01. November 1999 Frau Monika Kuhn eingestellt wurde, die die Arbeiten durch ihren Ehemann Klaus erledigen ließ. Das Ehepaar beendete ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2012. 

Zwischenzeitlich haben wiederum Gestrüpp und Dornen den Sinai zurückerobert und ausufernde Koniferen (einmal als Grabbepflanzung gedacht) und undurchdringliches Dornengestrüpp haben das Feld IV zu einem undurchdringlichen Dschungel gewandelt. Um diesen Auswüchsen dauerhaft zu begegnen, ist eine Gruppe Ehrenamtlicher um Bernd Jantzer (genannt auch die "Jantzer-Boys") auf den Plan getreten, die nun die Arbeiten verrichten. Sie treffen sich etwa sechs Monate lang im Jahr jeweils am Dienstagmorgen von 9 bis 12 Uhr, meist zu fünf bis sechs Personen, um mit Hilfe zweier Freischneider, eines AS-Mähers und vieler Kleinwerkzeuge dem mächtigen Wuchs Einhalt zu gebieten. Dazu kommt das Entfernen von wucherndem Efeu (hier helfen auch Frauen mit), um die Schriften lesbar zu erhalten. Große Flächen werden mit einem Mulcher bearbeitet. Dabei wird immer auch die Standfestigkeit der Steine geprüft und der Baumbestand beobachtet, damit keine herabfallenden Äste oder Baumteile die Grabsteine gefährden können.

Daneben gibt es noch die Projektgruppe "Jüdisches Leben in Ingenheim", die sich um inhaltliche Recherchen und das Abfassen der Internetartikel kümmert.

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